Baumer Blog

Innovatives Patientenarmband für Schweizer Spitäler – im Interview mit Christian Kern, Infomedis AG

Die Baumer AG hat vor acht Jahren mit der Infomedis AG ein innovatives Patientenarmband entwickelt. Heute werden davon jährlich eine halbe Million Stück für die Schweizer Spitäler produziert. Wir haben Christian Kern, Geschäftsführer der Infomedis AG, zur Entwicklung des Patientenarmbandes interviewt und dabei auch spannende Einblicke in die Anwendung der RFID-Technologie gewonnen.

Dr. Christian Kern

Sehr geehrter Herr Kern, Sie sind Geschäftsführer der InfoMedis AG, ein Unternehmen, welches auf die Entwicklung von Anwendungslösungen auf Basis der RFID-Technologie spezialisiert ist.

Was ist das Besondere dieser Technologie und wie kam es, dass Sie sich gerade für dieses Thema so engagieren?

RFID (Radio Frequency Identification oder deutsch: Identifizierung mit Hilfe elektromagnetischer Wellen) wurde sehr früh für die Kennzeichnung von landwirtschaftlichen Nutztieren und Rennpferden genutzt. Ich war 1993 am Institut für Landtechnik an der TU München tätig und habe über das Thema «injizierbare Transponder» (Glasröhrchen zum Implantieren) promoviert.

Bis heute hat sich die Technologie rasant weiterentwickelt: Aus den Glasröhrchen wurden flache Smart Cards, Etiketten zur Sicherung von Gegenständen usw. – diese kommunizieren automatisch per Funksignal mit einem Lesegerät und lösen eine Aktion aus. Im Zeitalter des IoT (Kommunikation von Maschine zu Maschine, ohne dass der Mensch noch etwas beiträgt) eine hochspannende Spielwiese in sehr vielen Bereichen.

Ich bin weiterhin als Fachbuchautor tätig gewesen (u.a. zwei Bücher im Springer-Verlag). Es bleibt also ein tragfähiges Thema mit immer wieder neuen Ideen.

Eine der Anwendungen, die Sie entwickelt haben, betrifft ein neuartiges Patientenarmband, welches seit 2010 am Inselspital in Bern im Einsatz ist. Hier haben Sie in Zusammenarbeit mit der Baumer AG ein Patientenarmband mit Barcode und RFID entwickelt.

Wie kam es zu diesem Projekt?

Wir wollten zuerst – als Softwareanbieter – etwas für das sogenannte «Bedside-Scanning», d.h. das Erfassen von Patient, Pflegepersonal, Blutröhrchen, Medikamente, Blutkonserven usw. direkt beim Krankenbett anbieten. Wir hatten damit eine gewisse Unabhängigkeit mit der Auswahl an Armbändern. Das Inselspital meinte aber, sie hätten noch nicht mal Armbänder – und alle am Markt verfügbaren Produkte waren in ihren Augen untauglich. Da ich zuvor in der Papierindustrie gearbeitet hatte (Fluggepäck-Anhänger für Gepäckstücke mit RFID), hatte ich einigermassen gute Kenntnisse von Materialien, die dort verarbeitet wurden (Verbundwerkstoffe etc.). Wir hatten ja unsere RFID-Etiketten darin bereits integriert.

Also folgten wir den Anforderungen des Inselspitals und haben ein neues Armband für Patienten entwickelt. Und das wiederum klappte hervorragend mit der Firma Baumer als Partner.

Was sind die Vorteile dieser Lösung?

Gemäss Inselspital kam es nicht in Frage, viele kleine Drucker auf den Stationen im Spital aufzustellen, Farbbänder zu wechseln, etc. Sie wollten die Bänder wie ein Papier bedrucken, davon abziehen und dem Patienten anlegen. Das spart viel Zeit und v.a. Material, Platz etc. Es sind jeweils zwei Armbänder auf einem solchen Blatt, die sich rückstandsfrei, d.h. ohne Kleberückstände, abziehen lassen. Daher auch der Name «Dry Lift». Der Patient braucht in der Regel zwei Armbänder. Es ist ein inzwischen ausgiebig getestetes Material, das hautverträglich ist. Und ganz wichtig: In der Schweiz spielt die Versorgungssicherheit eine grosse Rolle – und da ist die Baumer AG ideal.

Welche besonderen Herausforderungen gab es bei diesem Projekt?

Die Hauptarbeit liegt immer im Detail, nicht im groben Konzept. Wir haben viele Iterationen mit Baumer in der Produktentwicklung hinter uns – mit dem Vorteil, dass wir heute einen guten Entwicklungsvorsprung haben und Kompetenzen aufgebaut haben.

Wie viele Armbänder wurden bis heute an Patienten herausgegeben?

Gute Frage: Es war ein langsamer Start, weil in den ersten Jahren die Notwendigkeit im Gesundheitswesen generell für die Armbänder und die Themen der Patientensicherheit nicht so im Vordergrund standen. Wir haben zwar klein angefangen, aber mittlerweile produzieren wir pro Jahr rund eine halbe Million solcher Bänder.

Die Stiftung Patientensicherheit Schweiz, aber auch die Weltgesundheitsorganisation WHO propagieren Patientenarmbänder als eine wichtige Massnahme zur Erhöhung der Patientensicherheit. Dennoch sind diese Themen in der Schweiz noch nicht flächendeckend umgesetzt.

Wo sehen Sie die Gründe für eine langsame Umsetzung der Patientenidentifikation?

Das Gesundheitswesen hat lange Vorlaufzeiten. Änderungen brauchen lange, bis sie zu greifen beginnen. Das ist vergleichbar mit sehr grossen Schiffen, die ihre Richtung nur langsam ändern können – im Marketingdeutsch sind das «lange Leadtimes» mit vielen Kundenbesuchen. Aber wenn sie mal fahren, dann fahren sie auch langfristig.

Wenn man die Zahlen aus diversen Berichten kennt, was so alles um den Patienten herum verwechselt wird in einem hoch arbeitsteiligen Arbeitsumfeld, sieht man schnell, was ein einfaches Band nur mit einem aufgedruckten Namen und der Patientennummer schon bewirken kann. Fehler durch Sprachen, Demenz, Hektik, … es gibt sehr viele Gründe, ein Patientenarmband zu tragen.

Welche Bedeutung spielt die RFID-Technologie generell in der Medizin? Welche weiteren Anwendungsfälle sehen Sie da?

RFID ist grundsätzlich ein Datenträger, den der Patient mit sich führt. Nun kommt es aber auch auf die Infrastruktur des Spitals und das System dahinter an, was die Integration stets komplizierter und v.a. in jedem Spital individueller macht, bis alles richtig läuft. Erst dann – und da vergehen Jahre – kommt das eigentliche Bedside-Scanning ins Spiel. Das haben wir übrigens klar unterschätzt.

Welche Innovationen dürfen wir von Ihnen demnächst erwarten?

Besagtes Scanning zu integrieren – und v.a. wieder auf die Anforderungen der Kunden zu hören, was sie eigentlich erwarten. Im übrigen sind wir inzwischen soweit, dass wir auch nicht zwingend RFID brauchen – vielfach können wir das Handy als Hochleistungsscanner für Barcodes verwenden – wir haben die gleichen Lizenzen wie in der Migros. Es geht rasend schnell und wie heisst es «dubelisicher». Und die Pflegenden wollen keine zusätzliche Arbeit, sondern Entlastung.

Neu hinzu kommt der Laborbereich, aber das ist ein besonders grosser Tanker zum Anschieben.

 

Herr Kern, vielen Dank für das Gespräch!

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